Der nachfolgende Beitrag erzählt die Geschichte des Versuchsaffen 31 m, der im Zuge des durch Undercover-Aufnahmen von Cruelty Free International und SOKO Tierschutz aufgedeckten Skandals in einem Tierversuchslabor nahe Hamburg im vergangenen Jahr, traurige Bekanntheit erlangte. Diese Kurzgeschichte ist reine Fiktion, jedoch basierend auf realen Begebenheiten. Es mag sein, dass das Leben dieses Affen, für den ich ganz bewusst den Namen Lenni gewählt habe, zu Beginn einen anderen Verlauf genommen hatte. Es ist allgemein bekannt, dass Versuchsaffen bspw. auf Mauritius in Zuchtanlagen wie Bioculture oder Noveprim heranwachsen und somit ihr ganzes Leben lang in Gefangenschaft leben. Aber in meinen Gedanken sah ich Lenni zumindest am Beginn seines Lebens in Freiheit, so, wie ich es mir für alle Tiere wünschen würde.
Ich bin 160 1371, so steht es auf meiner Brust geschrieben. Aber eigentlich bin ich ein Affenjunge und heiße Lenni. Das ist der Name, den meine Mama mir damals bei meiner Geburt gegeben hat. Lenni, der Mutige und Löwenstarke. Ich bin zwar kein Löwe, sondern nur ein kleiner Affe, aber ich habe mein ganzes Leben lang die gleiche Stärke haben müssen, um das Leid ertragen zu können, das mir bereits ab dem Zeitpunkt kurz nach meiner Geburt widerfahren ist. Am Ende meines langen Leidenswegs wurde diese Nummer auf meiner Brust schließlich zu meinem Schicksal. Ich war der 31. Affe einer Versuchsstudie in jenem Labor, in dem mich nach vielen Wochen und Monaten in einem kleinen, engen Gefängnis voller Einsamkeit, Verzweiflung, Angst und Schmerzen ein qualvoller Tod erwartete. Nun bin ich hier, an einem wunderbaren Ort. Hier ist alles so leicht und schön. Fast so schön wie damals auf der Insel, meinem Zuhause, auf der ich leider nur für kurze Zeit glücklich sein durfte. Hier bin ich nun endlich wieder frei und darf Lenni sein! Manche nennen dieses „Hier“ Jenseits, ich sag dazu: Himmel. Mir fehlt meine Familie und ich frage mich: Was ist aus ihnen geworden, und werde ich sie jemals wiedersehen? Einsam bin ich aber dennoch nicht mehr. Hier sind viele von meiner Art. Alle sind durch eine von Menschen geschaffene Hölle gegangen, aus der es am Ende kein Entkommen gab. Eigentlich könnte nun alles gut werden, denn der Tod war unsere Erlösung. Aber sieh mich an, kannst du die Traurigkeit in meinen Augen sehen? Ich bin sehr nachdenklich und traurig, weil unser Tod für eure Forschung doch vergebens war. Immer wieder frage ich mich, was ich falsch gemacht habe, dass mir solch schlimme Dinge widerfahren mussten? Ich wollte doch nur mit meiner Familie in Ruhe und Frieden leben, frei und glücklich sein, dort auf dieser Insel, auf der alles so schön begann …
Ich erinnere mich gerne an die Zeit zurück, als ich zusammen mit meiner Mama und meinen Geschwistern dort lebte. Wie wir völlig unbekümmert in den Tag hineinlebten, spielten und kletterten. Das war so schön! Diese grenzenlose Freiheit, die sich so gut anfühlte und die ich bald aber schon für immer verlieren sollte. Eines Tages, ich weiß es noch ganz genau, stand da mitten auf dem Weg ein großer Käfig und in dem lag eine Banane, einfach so. Mir kam das schon etwas seltsam vor, aber ich bin mutig und neugierig gewesen und habe mich vorsichtig angeschlichen. Die Versuchung war einfach zu groß. Da war eine winzige Öffnung, durch die ich geradeso meine Hand stecken und nach der Banane greifen konnte. Aber als ich sie fest in meiner Hand hielt, kam ich da nicht mehr heraus. Loslassen, wollte ich aber auch nicht! Und dann ging alles ganz schnell. Es dauerte nicht lange, bis Menschen kamen, die ein Netz über mich warfen, mich eingesperrt und einfach mitgenommen haben. Auf diese Weise haben sie auch meine Familie gefangen und uns alle zusammen an einen fremden Ort gebracht … Wo waren wir? Was wird mit uns geschehen? Werden wir jemals wieder frei sein? Wir hatten solche Angst! Alles schien so hoffnungslos, keine Möglichkeit war in Sicht, uns aus eigener Kraft aus dieser Lage befreien zu können. Der einzige Trost für mich war, dass meine Geschwister und meine Mama ganz nah bei mir waren. Wir konnten uns fühlen und ganz liebhalten. Noch heute höre ich ihre zarte Stimme, wie sie liebevoll und beruhigend sagte: „Lenni, alles wird gut. Wir kommen hier raus. Ich weiß zwar nicht, was mit uns geschieht und warum wir hier sind, aber solange wir zusammen sind, wird alles gut. Hab keine Angst, ich bin immer für euch da und werde euch beschützen!“
An diesem lieblosen, kalten Ort blieben wir längere Zeit, bis zu diesem einen Tag, der meine Welt endgültig für immer veränderte. Die Menschen kamen ganz früh am Morgen und haben mit aller Kraft versucht, mich mitzunehmen. Ich verstand erst gar nicht, wie mir geschah und habe mich ganz fest an meine Mama geklammert und mich an ihr festgehalten. Sie hat sich heftig gewehrt, als sie versuchten, mich ihr zu entreißen. Aber irgendwann verließen mich meine Kräfte, und ich musste sie für immer loslassen. Ich habe furchtbar geweint und die Verzweiflung in ihren Augen gesehen und gehört, wie sie ein letztes Mal ganz laut Lenni gerufen hat, als sie mit mir weggegangen sind. Dies sollte für lange Zeit das letzte Mal gewesen sein, dass mich jemand bei meinem Namen genannt hat …
Danach haben Sie mich in eine winzige, hölzerne Kiste mit schmalen, vergitterten Fenstern gesteckt. Als sie den Deckel schlossen, war es ein Gefühl wie lebendig begraben zu sein. Ich habe fast keine Luft mehr bekommen. Mein kleines Herz hat mir bis zum Hals geschlagen und mit einem Mal wurde mir klar, dass meine Mama ihr Versprechen, mich immer zu beschützen, nicht halten können wird. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nie so einsam und alleine gefühlt. Und dann war da immer noch diese unbeschreibliche Angst in mir, die noch viel stärker wurde, als ich in dieses große, laute Ding gebracht wurde, auf engstem Raum übereinandergestapelt mit vielen anderen meiner Art. Wir wurden auf eine lange Reise geschickt. Es war so heiß in dem Ding, ich hatte Durst und Hunger und hab immer wieder um Hilfe gerufen. Aber keiner war da, der unser Wimmern und unsere verzweifelten Schreie hören konnte. Viele von uns kamen völlig erschöpft am Zielort an, manche haben die schweren Strapazen nicht verkraftet und sind gestorben …
Schließlich wurde ich wieder an einen Ort gebracht, der ebenso kalt und steril war, an dem es keine Möglichkeit gab mit meinen Artgenossen zu spielen, weil wir dicht aneinandergedrängt in unseren viel zu kleinen Käfigen saßen, die Angst immer im Nacken und der quälenden Frage: Was passiert nun mit mir? Irgendwann haben sie mich dann geholt und mir etwas gegeben, dass mich sehr müde gemacht hat. Als ich wieder zu mir kam, verspürte ich einen furchtbar brennenden Schmerz auf meiner Brust. Dies war der Tag, an dem ich das erste Mal gestorben bin. Ab diesem Zeitpunkt war ich nicht mehr Lenni, sondern 160 1371. Es war aber nicht das Ende, sondern nur der Anfang von etwas viel Schlimmeren, das mich noch erwarten sollte …
Bis dahin hatte ich noch immer ein klein wenig Hoffnung, dass alles doch noch gut werden könnte, aber als ich meine Augen öffnete an dem Ort, an den sie mich nun gebracht hatten, spürte ich, dass es von dort kein Entkommen geben wird. Ich saß in einem winzigen Gefängnis auf hartem Boden, es war kalt und ein mir nicht unbekannter Geruch lag in der Luft. Nur war er an diesem Ort viel stärker als jemals zuvor wahrnehmbar. Es war der Geruch von Angst, Leid und Tod. Hier waren viele von meiner Art, die sich aber sehr merkwürdig benahmen. Sie drehten sich wie wild im Kreis in ihren Käfigen, rüttelten lautstark an den Gitterstäben oder spielten an dem Ding herum, das ihr Gefängnis sicherte. Etwas Anderes zum Spielen gab es ja nicht. Ich verstand gar nicht, was los war, aber das, was ich wahrnahm, machte mir große Angst.
Am Abend wurde das Licht gedämmt und es wurde ganz still. Man konnte die Erleichterung darüber, dass die Menschen nun scheinbar gegangen waren, deutlich spüren. Viele kamen nun endlich etwas zur Ruhe und trauten sich näher an ihre Gitterstäbe, sodass ich zum ersten Mal ihre Gesichter sehen konnte. Ich setzte mich nach ganz vorne und sah mich um. Plötzlich fiel mein Blick auf ein kleines Affenmädchen, das in ihrem Käfig direkt neben meinem saß und weinte. Emma war ihr Name und wir fingen an, uns zu unterhalten. Ich fragte, warum sie denn weine, und sie erzählte mir von dem Schicksal, das sie und uns alle hier erwarten würde: „Tagsüber kommen die Menschen und nehmen täglich welche von uns mit, in einen Raum, in dem schreckliche Dinge mit uns passieren. Entweder bekommt man dort einen Schlauch in den Hals gesteckt, durch den eine Flüssigkeit direkt in unseren Bauch geleitet wird oder man wird festgeschnallt und bekommt diese Flüssigkeit über eine Nadel und einen Schlauch in den Arm gespritzt. Diese Flüssigkeit heißt Medizin und was die Menschen da machen, nennen sie Forschung. Danach kann alles ganz schnell gehen oder furchtbar lange dauern. Am Ende steht aber früher oder später ein qualvoller Tod. Ich habe noch niemals gesehen, dass einer von uns hier lebend rausgekommen ist! Die Menschen sind auch nicht sehr freundlich zu uns, wir sind ihnen egal. Manchmal lachen sie sogar über uns. Und es gibt da einen, der ist nicht immer da, aber wenn, dann haben alle besonders große Angst vor ihm. Wenn du in seine Augen siehst, ist da nur eine tiefe, endlose Wut. Er scheint Freude daran zu haben, uns weh zu tun. Er wird immer sehr böse, wenn wir uns aus Angst und Verzweiflung zu arg wehren. Dann schlägt er uns, auch mal gegen die Türkante.“
Ihre Worte haben mir solche Angst gemacht und ich fühlte mich so traurig und verloren in diesem Moment. Ich wollte sie aber so gerne trösten und in meine Arme nehmen. Sie mochte mich nämlich auch, das habe ich gleich gespürt. Leider ging das aber nicht. Also streckten wir unsere Hände durch die Gitterstäbe und konnten uns so zumindest ein wenig berühren.
Am nächsten Morgen, als das grelle Licht anging und wir die Stimmen der Menschen und ihre Schritte hörten, war alles in hellem Aufruhr. Ich hatte so große Angst, dass meine Zähne klapperten und ich mich in die hinterste Ecke meines Käfigs kauerte. Nun hieß es warten und hoffen, dass ich nicht mitgenommen werde. Als der Mensch an meinem Käfig vorbeigegangen war, spürte ich einerseits eine kurze Erleichterung, aber gleichzeitig machte sich ein unerträgliches, quälendes Gefühl in mir breit, das nun andere an meiner Stelle furchtbar leiden würden. Das war aber der Lauf der Dinge in dieser Hölle, in der ich nun gefangen war, tagein, tagaus. Viele Wochen und Monate lang. In dieser Zeit habe ich oft den Tod gesehen und er hatte viele Gesichter. Manche von uns litten einfach nur noch still vor sich hin, weil ihnen am Ende die Kraft fehlte gegen das Gift, das man ihnen tagtäglich verabreicht hatte, anzukämpfen. Andere hatten so furchtbare Schmerzen, dass sie sich krümmten in ihren Käfigen, lautstark weinten und aus ihren Körperöffnungen bluteten. Ich konnte ihr unermessliches Leid sehen und nachempfinden, so intensiv, als wäre es mir selbst widerfahren. Es hat mir das Herz gebrochen und ich fühlte mich so hilflos, nichts für meine neugewonnenen Freunde tun zu können. Irgendwann war alle Hoffnung, die ich anfangs hatte, der Gewissheit gewichen, dass ich diesen furchtbaren Ort niemals lebend verlassen werde. Irgendwann würden sie kommen und mich holen und mit mir die gleichen schrecklichen und schmerzhaften Dinge tun. Die Frage war nur, wann?
Es war zunächst ein Tag wie jeder andere, der mein Schicksal besiegelte. An diesem Tag war auch er da. Der, vor dem alle so furchtbare Angst hatten. Ich habe am ganzen Körper gezittert und versucht, mich an den hinteren Gitterstäben meines Käfigs festzuhalten, als er auf mich zukam und das Türchen öffnete. Emma schrie ganz laut und versuchte, vergeblich nach meiner Hand zu greifen. Sie hatte nicht übertrieben. Er hat mir so weh getan in dem Moment, als er mich mit aller Gewalt aus meinem Käfig zerrte und in der Halterung, durch die geradeso mein kleines Köpfchen passte, fixierte. Ich habe versucht daran zu rütteln, um mir Luft zu verschaffen, doch vergebens. Dann wurde ich in den besagten Raum gebracht. Da waren bereits mehrere meiner Freunde nebeneinander in Reih und Glied an Hals, Armen und Beinen fixiert. Es war ein schrecklicher Anblick, sie so zu sehen, ihre verzweifelten Schreie und ihr Weinen zu hören, zitternd und hilflos vor Angst und zu wissen, dass dies mir nun auch bevorstehen würde. Er ging kurz weg und ich habe mich in dieser Halterung wie wild im Kreis gedreht, in der Hoffnung, mich daraus doch noch befreien zu können. Aber es half nichts, alle meine Bemühungen waren vergebens. Als er wiederkam, drückte er meinen Kopf mit roher Gewalt in die Halterung an der Wand und drehte die Schrauben an, sodass ich ihn kaum noch bewegen konnte. Meine Arme fixierte er mit einer weißen Binde, ganz straff und fest, ebenso meine Beine. Es war eine schrecklich unangenehme Haltung, in die ich nun gezwungen war und aus der heraus es keine Möglichkeit mehr gab, mich zu wehren. Irgendwann war ich einfach zu erschöpft und ergab mich meinem Schicksal. Der Einstich der Nadel hat furchtbar weh getan. An ihr befand sich ein langer dünner Schlauch und ich konnte spüren, wie eine kalte, brennende Flüssigkeit sich plötzlich ihren Weg in meinen Körper bahnte. Er stand dann für einen kurzen Moment direkt vor mir, völlig teilnahmslos. Er hat mich keines Blickes gewürdigt. Dabei hätte ich ihm doch einfach nur gerne gesagt: Sieh mich an! Ich bin wie du, und du bist wie ich. Wir beide sind uns ähnlicher, als du glaubst. Ich habe mir in diesem Augenblick so gewünscht, dass er mir in die Augen sieht, nur ein einziges Mal, und dann erkennt, dass ich ein kleiner Affe bin, Lenni, ein Lebewesen genau wie er, das auch Gefühle hat und eigentlich nur leben möchte. Aber sein kalter, gleichgültiger Blick verriet mir, dass ihn meine Schmerzen und Qualen, die ich ab heute erleiden sollte, nicht interessierten.
So wie an diesem Tag erging es mir noch viele weitere Tage. Es ging mir zunehmend schlechter und ich spürte, wie ich allmählich keine Kraft mehr hatte gegen das Gift, das nach und nach meinen Körper zerstörte, anzukämpfen. Besonders mein Bauch tat mir so fürchterlich weh. Irgendwann konnte ich nicht mehr essen und verweigerte auch das Trinken. Ich habe mir so oft den Tod herbeigesehnt, weil ich diese Schmerzen einfach nicht mehr ertragen konnte. Auch Emma konnte mir nicht mehr helfen. Eines Nachts konnte mein kleiner Körper nichts mehr gegen das Gift ausrichten und ich hatte, kurz bevor ich starb, einen Traum. Ich erinnerte mich an die schönen Momente meines Lebens zurück, an meine Mama und meine Geschwister und diese wundervolle Insel, die leider nur für kurze Zeit mein Zuhause gewesen ist. Nun war ich einsam und alleine an diesem kalten Ort. Irgendwann in dieser Nacht ließ ich einfach los …
So bin ich in den Himmel gekommen, da wo ich jetzt bin und mit großer Zuversicht auf die Ereignisse schaute, die nach meinem Tod geschahen, denn meine Geschichte war an dieser Stelle noch lange nicht zu Ende geschrieben. Kurze Zeit nach meinem Tod öffneten sich die Tore zu unserer Hölle für einen, der vollkommen anders war. Er war mutig, genau wie ich und hatte ein gutes Herz, das für uns schlug. Alle Tiere spürten das von Anfang an. Er hat unser Leid gesehen und es still ertragen. Wenn die anderen Menschen ihre Forschung an uns machten, hat er meinen Freunden in einem unbeobachteten Moment über den Kopf gestreichelt oder ihnen seinen Finger gereicht, an dem sie sich festhalten konnten. Ob er wohl weiß, wie sehr er ihnen in diesem Augenblick damit geholfen hat? In dieser Hölle gab es aber auch noch andere Tiere. Da waren neben Katzen auch viele Beagle-Hunde. Diese zarten Geschöpfe verhielten sich den Menschen gegenüber ganz anders als wir. Obwohl auch sie wussten und spürten, welch furchtbares Schicksal ihnen bevorstand, sind sie stets freundlich auf die Menschen zugegangen, haben ihnen ihr Pfötchen bereitwillig und ohne Widerstand entgegengestreckt, damit sie ihre Forschung an ihnen machen konnten. Den Hunden hat er auch geholfen, indem er sie, immer wenn keiner zusah, ausbüxen ließ, während er ihre Zwinger sauber machte. Haben die sich vielleicht gefreut, als sie sich wenigstens ein bisschen bewegen konnten! Auch den Katzen versuchte er beizustehen, so gut er konnte. Er durfte ja nicht auffallen. Unser Leid machte ihn sehr traurig und man konnte die Zerrissenheit in seinen Augen sehen. Er wollte doch so gerne helfen und uns befreien, aber er durfte nicht, denn er hatte einen Auftrag zu erfüllen … Eines Tages lief er an meinem Käfig vorbei und sah, dass da ein anderer darinsaß. Die scheußliche Brustnummer hat es ihm verraten! Das kam ihm merkwürdig vor und er fragte die anderen Menschen, was mit mir geschehen sei. Sie haben ihm erzählt, dass ich gestorben war, viel zu früh und unverhofft und, dass die Forschung aber noch nicht beendet gewesen sei und deshalb nun ein anderer an meiner Stelle in dem Käfig säße … Kannst du dir vorstellen, wie traurig es sich anfühlt, eigentlich niemals gelebt zu haben? Lenni gab es ja schon lange nicht mehr. Aber nun war das Einzige, das an mich erinnerte, die Ziffern meiner Brustnummer an der Käfigtür und auf einem Stück Papier …
Eines Tages war er plötzlich gegangen und mit ihm alle Hoffnung der anderen Tiere auf ein Leben in Freiheit. Ich war auch sehr traurig und habe viel geweint. War er doch der Einzige, der wusste, dass es mich gegeben hat und der den Menschen von unserem Leid erzählen konnte. Ich hoffte so sehr, dass er zurückkommt und habe immer wieder nach ihm gerufen: Bitte, komm zurück und hilf uns! Aber er war nicht für immer gegangen, denn er hatte von Beginn an einen Plan. Er hatte sich Hilfe geholt und eine Möglichkeit gefunden, dafür zu sorgen, dass die Menschen auf der ganzen Welt das Leid, das uns widerfahren ist, durch unsere Augen sehen konnten. Viele von ihnen waren fassungslos und haben alles darangesetzt, uns zu befreien. Sie wachten rund um die Uhr vor den Laboren, gingen auf die Straße und schrien unser Leid in die Welt hinaus. Sie sind uns nicht mehr von der Seite gewichen. Die anderen Tiere und ich haben die Liebe und Kraft gespürt, die sie uns durch ihre Worte und Gesten gegeben haben. Viele von uns zum allerersten Mal in ihrem Leben. Irgendwann geschah dann etwas, womit niemand gerechnet hatte, wovon keiner von uns bisher zu träumen wagte. Die Türen unserer Hölle öffneten sich für die Beagles und die Katzen. Draußen warteten liebe Menschen auf sie, die sie in ihre Arme schlossen und von nun an alles unternehmen würden, um ihnen ein glückliches Leben in Freiheit zu schenken. Auch die Ratten und Mäuse, die an einem anderen Ort untergebracht waren, jedoch ebenso leiden mussten wie ich, konnten befreit werden. Schließlich ist ihr Leben nicht weniger wert als meines. Für die anderen meiner Art erfüllte sich der Traum von einem Leben in Freiheit leider nicht. Woher ich das weiß? Manche von ihnen sind hier bei mir. Sie wurden in eine andere Hölle gebracht, wo sie ein ähnliches Schicksal wie meines erwartete …
Ich habe meinen Frieden mit dem, was mir geschehen ist gemacht und den Menschen, die mir so viel Leid zufügten, vergeben. Dennoch bin ich sehr traurig und trage großen Kummer in meinem Herzen, weil ich mich frage, was mein Tod sowie der vieler anderer Tiere für eure Forschung gebracht hat? Habt ihr nicht längst andere Möglichkeiten gefunden, euer Wissen zu erweitern? Ich vermisse meine Familie und die Erinnerungen an meine Mama und meine Geschwister beginnen langsam zu verblassen. Es ist zu lange her, dass ich sie das letzte Mal gesehen habe. Wie es ihnen wohl gehen mag? Ob sie auch noch manchmal an mich denken? Und was wurde aus Emma, dem kleinen, süßen Affenmädchen? Sie hatte man auch an einen anderen Ort verbracht. Wann werde ich sie wohl wiedersehen? Sie fehlt mir so sehr! Ich kann sie zwar nicht sehen, aber deutlich spüren. Sie ist mir schon ganz nahe …
Fortsetzung folgt …
Lenni – Das Making Of …