About
Chemie studieren, war mein Traum, und diese Entscheidung habe ich bis zum heutigen Tage niemals bereut. Zusammen mit meiner Begeisterung für die Medizin wurde daraus über mehrere Jahre meine Berufung. Als Medizinalchemikerin mit Fokus auf den Bereich der Molekularbiologie sowie der Organosynthese von bioaktiven Naturstoffen − also chemischen Verbindungen, die aus natürlichen Ressourcen isoliert wurden und aufgrund ihrer Bioaktivität, als neue potentielle Wirkstoffkandidaten für die Forschung von Interesse sein könnten − öffneten sich für mich viele Türen und attraktive Forschungsfelder, sowohl im universitären Bereich als auch der pharmazeutischen Industrie.
Doch irgendwann wollte ich mehr … Mehr als Forschen, Experimentieren und Synthetisieren …
Die Freude am Umgang mit Sprache in Verbindung mit wissenschaftlicher Neugierde und einer hohen Affinität zur Medizin, führten mich schließlich in den Wissenschafts- und Medizinjournalismus. Besonders reizvoll an dieser neuen Herausforderung, erlebe ich den Perspektivwechsel von meiner früheren Labortätigkeit hin zur journalistischen Darstellung medizinisch/naturwissenschaftlich relevanter Themen: Einst war ich diejenige, die aktiv forschte − heute, berichte ich über die Forschungsergebnisse anderer.
Als freie Wissenschafts- und Medizinjournalistin fungiere ich dabei als eine Art Dolmetscherin, die die komplexe wissenschaftliche Terminologie übersetzt und ein interessiertes Laienpublikum auf einer spannenden Wissenschaftsreise begleitet.
Schnell war somit die Idee eines eigenen Wissenschafts-/Medizinblogs geboren. Doch die Welt der Wissenschaft ist groß, interdisziplinär und faszinierend. Über welche Themen sollte ich nun also berichten?
An einem Tag Anfang November 2019, sollte sich diese Frage dann sehr rasch beantworten …
Es war jener Tag, als ich aus den Medien von den eklatanten Missständen in einem Contract Research Labor in der Nähe von Hamburg (Mienenbüttel, NI) erfahren habe, die wenige Woche zuvor im Rahmen einer Undercover-Recherche der SOKO Tierschutz publik wurden. Das Laboratory of Pharmacology & Toxicology (LPT) − seit 2021 unter dem Firmennamen Provivo Biosciences GmbH & Co KG bekannt − ist spezialisiert auf die Durchführung regulatorischer Teststudien an Tieren, die von Unternehmen der pharmazeutisch/chemischen Industrie, u. a. im Zuge der Arzneimittelzulassung, in Auftrag gegeben werden. Die dort entstandenen Bilder von misshandelten und gequälten Tieren sind bis heute für mich nur sehr schwer zu ertragen. Dies war der Moment, in dem ich erstmals das System Tierversuch infrage stellte und begann, mich bewusst damit auseinanderzusetzen. Selbst wenn es im Rahmen meiner universitären Ausbildung keinerlei Berührungspunkte zu dieser Thematik gab, war ich dennoch bei zwei Stationen meiner Vita unmittelbar mit Tierversuchen konfrontiert. Also war es an der Zeit, sich eine eigene Meinung zu bilden.
Dies bedeutete für mich, dass ich zahlreiche Gespräche und Interviews, u. a. mit Vertretern der Organisation Ärzte gegen Tierversuche e. V., einem Wissenschaftsethiker, einem Rechtswissenschaftler mit Professur im Bereich des Verfassungs- und Medizinrechts, einer Tierschutzbeauftragten sowie auch mehreren Tierexperimentatoren führte. Es war mir äußerst wichtig unvoreingenommen zu agieren und die Objektivität zu wahren, so, wie es der Grundsatz guten journalistischen Arbeitens erwarten lässt. Zumal es Befürworter und ihre Argumente für den Einsatz von Tierversuchen gibt. Wie stark der Einfluss derer − auch auf die Politik und Gesetzgebung − tatsächlich sein würde, sollte ich im Verlauf meiner Recherche noch vielfach erfahren.
Beeindruckt war ich auch von „Lukas“, so der Deckname des Aktivisten, der sich über mehrere Monate in das besagte Außenlabor des Unternehmens einschleuste. Sein bedingungsloser Einsatz, Mut und Nervenstärke ermöglichten in Verbindung mit einem Grundsatzurteil aus dem Jahre 2004, die unzensierte mediale Verbreitung des Bild- und Videomaterials.
Mein Dank und Bewunderung gelten aber auch allen Aktivist(inn)en vor Ort, die seit langer Zeit ahnten, welch schreckliche Dinge sich innerhalb der Labore des Unternehmens abspielten. Unermüdlich kämpften Sie sowohl für die Schließung der Labore als auch die Befreiung der Tiere − und werden dies auch weiterhin gegen beide verbliebenen Standorte der Provivo Biosciences GmbH & Co KG, Gut Löhndorf in Wankendorf, Kreis Plön (SH) sowie den Hauptsitz in Hamburg/Neugraben tun.
Zuvor war es bereits durch den friedlichen, aber lautstarken Protest gelungen, dem sich tausende Menschen im Rahmen von Großdemonstrationen und Kundgebungen angeschlossen haben, nicht nur die behördliche Schließung zunächst zweier Unternehmensstandorte zu bewirken, sondern auch den im Labor verbliebenen Beagles, Katzen, Ratten und Mäusen, ein Leben in Freiheit zu ermöglichen.
Leider blieb den Affen aus dem Labor dieses Leben verwehrt.
Die zwei besten Gründe und Motivation, um dieses Projekt zu starten.
Meiner Meinung nach sind die Vorfälle in dem Labor in Mienenbüttel nicht die berühmte Ausnahme, die die Regel bestätigen, sondern Missstände solchen Ausmaßes, werden durch eine defizitäre Gesetzgebung auf nationaler und EU-Ebene regelrecht forciert.
Kritikwürdig ist auch der mangelnde politische Wille, eine moderne 3R-Forschung (auch finanziell) zu fördern, da Tierversuche aus ethischen und wissenschaftlichen Gründen im Zeitalter moderner Forschung, keinen Platz mehr einnehmen dürfen.
Aus diesem Grund ist das Projekt Wissenschaftsversessen, Themen rund um Tierversuchen (und deren Abschaffung) gewidmet und soll, im Besonderen der 3R-Forschung, eine Plattform bieten − denn versessen sein auf echte Wissenschaft bedeutet im 21. Jahrhundert, eine innovative, fortschrittliche, humanbasierte und vor allem tierversuchsfreie Forschung!
Stefanie M. Hohenberger